Allein unter Vögeln

Jakob Wildraut arbeitet sieben Monate für den Naturschutzbund auf Trischen

Romantischer Anblick: Holzhütte im Abendlicht.

Jakob Wildraut beim Beringen Silbermöwe

Eine kleine Insel inmitten des Dithmarscher Wattenmeeres mit einer Holzhütte auf Stelzen – und unendlich vielen Vögeln: Seit Mitte März lebt und arbeitet der 30-jährige Jakob Wildraut für den Naturschutzbund als Vogelwart auf Trischen. Über seine Erlebnisse auf der „Perle im Nationalpark“ sprach Jens Neumann mit dem gebürtigen Westfalen.

Herr Wildraut, Sie sind in Soest aufgewachsen, leben seit Ihrem Studium in Freiburg im Breisgau: Was hat Sie nach Trischen verschlagen?

Jakob Wildraut: Der Norden ist nicht ganz neu für mich. Nach der Schule war ich in Dithmarschen, um bei der Schutzstation Wattenmeer in Friedrichskoog ein Freiwilliges Ökologisches Jahr zu machen. Dadurch ist meine Liebe zum Wattenmeer und insbesondere zu Dithmarschen entstanden. Jahre später habe ich beim Lachseeschwalben-Projekt im Neufelderkoog mitgearbeitet. Jetzt bin ich wieder da.

Es war also schon lange ein Traum von Ihnen...

Jakob Wildraut: Richtig. Seit meiner Zeit im Freiwilligen Ökologischen Jahr. Der Traum ist wahr geworden.

Als Vogelwart sind Sie sieben Monate lang einziger Bewohner auf Trischen: Wie kommen Sie mit der Einsamkeit zurecht?

Jakob Wildraut: Eigentlich ganz gut. Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt. Es ist ein schöner Alltag hier: ruhig, friedlich, viel Natur. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu entdecken. Man kann sich sehr gut beschäftigen. Ganz so einsam ist es übrigens nicht. Ich telefoniere viel mit Freunden und der Familie. Im Zeitalter moderner Technik ist man heute ja zum Glück nicht mehr ganz von der Umwelt abgeschnitten.

Wir kennen alle das Buch „Robinson Crusoe“: Muss man sich das Leben in der hölzernen Hütte auf der Insel so ähnlich vorstellen?

Jakob Wildraut: Tatsächlich habe ich das Buch hier gelesen. Robinson hatte es damals schon schwerer. Bei ihm ging es ja ums nackte Überleben, ohne Kontakt zur Außenwelt. Es wäre anmaßend zu sagen, dass mein Leben hier so ähnlich ist. Aber ich habe mich auch irgendwo ein bisschen wiedergefunden in dem Buch. Die romantische Seite des Romans kann man auf Trischen auf jeden Fall wiederfinden.

Immerhin haben Sie regelmäßig Besuch vom Inselversorger?

Jakob Wildraut: Genau. Außerdem kommen immer mal wieder Leute für Forschungseinsätze vorbei. Vor einigen Wochen waren beispielsweise zwei Kollegen vom Nationalpark da, die die Vegetation auf der Insel kartiert haben. Und Kollegen für Vogelberingungen. Außerdem steht noch ein größerer Arbeitseinsatz an, weil eine Reparatur an der Hütte geplant ist. Ich habe also immer mal ein bisschen Gesellschaft.

Beschreiben Sie doch einmal kurz Ihren Tagesablauf…

Jakob Wildraut: Da ist gar nicht so leicht, weil es eigentlich keinen festen Tagesablauf gibt. Das richtet sich ganz nach der Natur und kann von Woche zu Woche unterschiedlich sein. Heute bin ich aufgestanden, habe ein bisschen im Büro erledigt, bin danach lange am Strand gewesen und habe Vögel beobachtet. Aktuell konzentriere ich mich darauf, die Ringe von Vögeln abzulesen. Daran lässt sich nachvollziehen, wo sie herkommen. Und natürlich war ich auch schwimmen.

Haben Sie sich die Arbeit so vorgestellt?

Jakob Wildraut: Ich habe es mir ein bisschen weniger frei vorgestellt. Natürlich habe ich meine festen Aufgaben, kann aber auch eigene Schwerpunkte setzen, was ich erforschen möchte. Bei mir ist es das Ablesen der Ringe.

Wie haben Sie sich auf Trischen vorbereitet?

Jakob Wildraut: Mit einem Extra-Praktikum in einer Forschungsstation auf der Schwäbischen Alb. Da ging es darum, ziehende Vögel zu erfassen und anhand des Rufes zu bestimmen. Auf der persönlichen Ebene habe ich noch viele Freunde und Verwandte besucht. Und dann war da natürlich die entscheidende Frage: Was nimmt man auf eine einsame Insel mit?

Was sagen Freunde und Verwandte zu Ihrem Abenteuer?

Jakob Wildraut: Die meisten finden es toll. Aber nicht alle können sich das für sich selbst vorstellen. Ich bekomme viel Post von Freunden und der Familie, die mein Leben und meine Arbeit mit Interesse verfolgen.

Der Klimawandel ist in aller Munde: Zeigt sich das auch auf Trischen?

Jakob Wildraut: Ja, das kann man schon sagen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind die Wetterlagen immer unbeständiger geworden. Wir haben hier mehr mit Hochwassern zu kämpfen. Durch ungünstige Wetterlagen werden weite Teile der Insel überflutet. Das ist zu Brutzeiten ein großes Problem. Trischen liegt nicht besonders hoch. Ich habe es ein paar Mal erlebt, dass Vögel ihre Eier verloren haben. Das ist ein Phänomen, das zunimmt – und den Naturschutz in den nächsten Jahren vor Herausforderungen stellt.

Wie ist die Brutsaison 2024 gelaufen?

Jakob Wildraut: Tatsächlich kann ich das nicht genau beurteilen. Wir machen hier kein gezieltes Bruterfolgsmonitoring. Grob lässt sich allerdings sagen, dass es bei den Silber- und Heringsmöwen sehr gut gelaufen ist. Sie haben viele Küken bekommen. Andere Arten wie Flussseeschwalben und Lachmöwen, die weiter unten in der Wiese brüten, haben einige Küken in den Fluten verloren. Da sieht es nicht ganz so rosig aus.

Welchen Moment möchten Sie nicht missen?

Jakob Wildraut: Es gab viele tolle Beobachtungen, auch von selteneren Vogelarten. Der aber wohl eindrucksvollste Moment war, als ich mit Hilfe der Kollegen vom Nationalpark eine Wanderratte auf der Insel einfangen konnte. Die war eine sehr große Bedrohung für Eier, Küken und ältere Vögel und hat ordentlich Schaden angerichtet.

Wie kommt eine Ratte nach Trischen?

Jakob Wildraut: Gute Frage: Die muss ein bisschen geschwommen sein. Eine komplette Landverbindung übers Watt gibt es nicht mehr.

Haben sie auch Flaschenpost gefunden?

Jakob Wildraut: Ja, drei Stück. Die Briefe habe ich sehr gerne alle individuell beantwortet.

Im Oktober geht es zurück aufs Festland: Worauf freuen Sie sich am meisten?

Jakob Wildraut: Auf Freunde, Familie und ein Wiedersehen mit meiner Freundin. Und natürlich auf ganz alltägliche Dinge: warmes Wasser, eine vernünftige Dusche, Getränke mit Kohlensäure... Hier werden einfache Sachen zum Luxus.

 

Trischen im Internet:

 

https://blogs.nabu.de/trischen/